Wirtschaft mit Geschichte

(Foto: © Eric Münch)

Sachsens Geschichte hat viel mit Erfindergeist und Unternehmertum zu tun. Manchmal aber müssen die Unternehmer gar nichts neu erfinden, um fortschrittlich zu sein

„Die Leute aus dem Ort kamen gleich und fragten, ob ich das Unternehmen auflösen oder weiterverkaufen will“, erzählt Thomas Röpke. „Da musste ich die erst einmal beruhigen: Nein, ich will den Likör erhalten.”

Der 43-jährige Unternehmer hat im Sommer die Altenberger Kräuterlikörfabrik übernommen. Er ist in Altenberg geboren, also ein Kind der Bergstadt. Seit vielen Jahren ist er selbstständig und arbeitet erfolgreich in der Dresdner Veranstaltungsbranche. Partys, Konzerte, Hochzeiten und Firmenfeste sind bislang sein Geschäft.

Als ihm Ende 2021 das Kaufangebot für die Likörfabrik auf den Tisch flatterte, ging er in sich. Schließlich entschied er sich zum Kauf, gründete eine neue GmbH. „Meine Liebe für die Heimat ist ungebrochen. Und ich sehe viel Potenzial in dem Produkt“, sagt er.

Er will die Marke „Altenberger“ erhalten, sich dabei aber auf die wesentlichen Produkte konzentrieren. Dazu gehören der „Gebirgsbitter“, der „Kalmus“, der „Bitter“ und die „Vogelbeere“. Andere Variationen dagegen werden mit der Zeit vom Markt verschwinden.

Röpke hat auch die beiden Mitarbeiter übernommen, die ihm im Ladengeschäft und in der Produktion zur Seite stehen. Weitere sollen dazukommen, denn er hat große Pläne und hat damit schon angefangen: Eine neue Internetseite ist schon am Start, ein Webshop soll bald folgen. Seit Sommer gibt es außerdem einen Instagram-Kanal.

Im Haupthaus des Unternehmens sind die Produktion und der kleine Verkaufsladen untergebracht, den es auch weiterhin geben soll (Foto: © Eric Münch)

Röpke hat aber vor allem den Absatz in Einzelhandel, Gastrono- mie und bei Veranstaltungen im Visier: „Wir müssen Altenberger erst einmal wieder in die Köpfe bekommen“, sagt er. Dabei nutzt ihm auch sein jahrelang aufgebautes Netzwerk in der Veranstaltungs- und Gastronomie-Branche.

Unternehmerischer Einsatz für die Heimat

Auf ganz andere Art setzt sich Detlev Müller, Unternehmer aus Mittweida, für seine heimische Tradition ein. Der 64-Jährige gründete 1991 seinen Betrieb für elektronischen Gerätebau. Heute ist er Inhaber der mittelsächischen IMM electronics GmbH. „Bis auf wenige Ausnahmen habe ich hier gelebt, gewohnt, gelernt, geforscht, gearbeitet und gewirkt“, sagt Detlev Müller.

Dem Unternehmer liegt viel an seiner Heimat. „Sowohl bei meinem unternehmerischen als auch meinem gesellschaftlichen Engagement habe ich mich vom Prinzip ‚Geben und Nehmen‘ – Win-Win – leiten lassen. Dankbarkeit spielt dabei eine wichtige Rolle für mich“, sagt er.

Im Einsatz für das Schloss im Dorf: Detlev Müller posiert als Johann Georg Aurich. Der Unternehmer aus dem 19. Jahrhundert ist der ehemalige Besitzer des Schlosses – eigentlich ein Rittergut. In historischen Kostümen macht der Förderverein auf sein Anliegen aufmerksam. Das bringt Spenden (Foto: © Leon Petzoldt)

Als Mitglied in einem Förderverein setzt er sich für den Erhalt des Schlosses in Ringethal ein. Dafür schlüpft er auch gerne mal in historische Kleidung. „Die Figur, die ich repräsentiere, ist Johann Georg Aurich. Er war ein Unternehmer der hiesigen Region und ehemaliger Besitzer des Rittergutes“, erklärt Müller.

Das Kostüm wurde nach alten Bildern erstellt. Durch ihre Auftritte in historischen Kostümen etwa beim Tag des Offenen Denkmals, dem Mittweidaer Stadtfest oder bei Veranstaltungen im Ringethaler Schloss sammeln die Fördervereinsmitglieder immer wieder Spenden.

In seinem Engagement verbindet Müller Geschichte mit Innovation. Eines der Projekte ist die Sanierung der Orgel in der Mittweidaer Kirche. Gemeinsam mit dem Orgel-Verein, der Stadt Mittweida und der Firma Eule Orgelbau aus Bautzen wurde dafür eine elektronische Steuerung entwickelt.

Detlev Müller schaut sich ein Modell der Orgel an. Sein Unternehmen baut die Leiterplatten für eine moderne Instrumentensteuerung (Foto: © Leon Petzoldt)

Das war wichtig, da am elektromechanischen Spieltisch von 1930 durch Kontaktschwierigkeiten Töne ausfielen. Als Lösung entstand ein „elektronischer Bypass“, der die Magnetventile in der Orgel unabhängig ansteuert. „Vielen alten Orgeln kann durch dieses System ein neues, zweites Leben eingehaucht werden“, erklärt er.

Bereits 2002 gründete Müller eine eigene Stiftung. „Als Unternehmer konnte ich durch Spenden und Sponsoring im Bereich Wissenschaft, Sport und Kultur unterstützen. Durch die IMM Stiftung bekam dieses Engagement schließlich Struktur und auch neue finanzielle Möglichkeiten“, erklärt Müller.

Kleines Gerät, große Wirkung: Durch eine elektronische Streuung können auch alte Orgeln wieder erklingen (Foto: © Leon Petzoldt)

Durch Formate wie die TALENTSHOW oder den TALENTspot sollte der Nachwuchs in Mittweida gefördert werden. Zunächst erhielten vor allem die Absolventen des örtlichen Technikums, der heutigen Hochschule, Unterstützung. „Inzwischen wird hier auch ab und zu ‚über die Dörfer‘ gegangen. Zum diesjährigen Benefiz wurden acht Projekte mit 7.000 Euro gefördert – im 20. Jubiläumsjahr der Stiftung durchaus angemessen“, sagt Müller.

„Start-ups sind schnell und innovativ. Die Bundesregierung bezeichnet sie als ‚Treiber für wirtschaftliche Dynamik und Erneuerung‘. Die deutsche Wirtschaft aber ist geprägt von Familienunternehmen, oft mit langer Tradition. Sie stehen für Stabilität“, sagt der CDU-Wirtschaftpolitiker Jan Hippold.

„Die deutsche Wirtschaft ist geprägt von Familienunternehmen, oft mit langer Tradition. Sie stehen für Stabilität.“

Jan Hippold
CDU-Wirtschaftspolitiker

„Solche traditionellen ‚Start-ups‘ beweisen, dass wir Unternehmer brauchen, die die Chance in der Weiterführung traditioneller Produkte erkennen und den Mut haben, ihre Angebotspalette zu erweitern. Die Diversifizierung in Kombination mit traditionellen Produkten zur Steigerung der eigenen Unternehmensattraktivität trägt zu einer stabilen Wertschöpfung bei. Das ist die Symbiose, die wir von unseren Unternehmern erwarten. Damit haben auch traditionell eingeführte Produkte Chancen zum Überleben“, so Hippold.

Er ergänzt: „Wir sorgen mit unserer Politik dafür, dass solche regional agierenden Unternehmen auch die Voraussetzungen für den „Turnaround“ in Umstrukturierung und Vermarktung schaffen.“

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