(Foto: © Sebastian Winterscheid)
Die Schule in Milkau stand bereits vor dem Aus. Durch die Initiative eines Vereins konnte sie aber gerettet werden. An der Evangelischen Werkschule lernen heute Schüler die christlichen Werte und das Handwerk kennen
Da waren sich die Milkauer einig: „Die Schule soll im Dorf bleiben“. Weil es zu wenige Schulanmeldungen gab, sollte 2009 die Mittelschule im Ortsteil des mittelsächsischen Ortes Erlau geschlossen werden. Um die Einrichtung zu erhalten, musste eine Lösung her.
Die wurde schließlich in Form der freien Trägerschaft gefunden. Besonderheit: Hier liegt der Fokus auf dem christlichen Weltverständnis und einem praktischen Profil. „Lernen mit Herz, Hand und Verstand“ heißt es im Leitspruch der heutigen Evangelischen Werkschule.
Mandy Dießner ist die heutige Schulleiterin in Milkau. Die 45-jährige Sportlehrerin ist vom Konzept überzeugt. „Schule muss anderes funktionieren“, sagt sie. In einer Oberschule ist ihrer Ansicht nach besonders die Struktur wichtig. „Die Schüler brauchen immer wiederkehrende Rituale. Sie müssen wissen, was sie an einem Tag erwartet“, sagt Dießner.
Jeder Tag in der Werkschule beginnt daher mit einer Andacht. „Das kann ein Musikbeitrag, eine Tageslosung oder ein kurzes Gespräch über ein aktuelles Thema sein“, verrät Dießner. Vor der ersten Stunde nehmen sich die Lehrer fünf bis zehn Minuten mit ihrer Klasse extra Zeit dafür. „Wir bilden die Kolleginnen und Kollegen dafür aus“, sagt Dießner.

Der Fokus auf christliche Werte machen das Schulkonzept in Milkau besonders. „Unsere Schüler sind im Glauben frei. Die Eltern müssen aber unterschreiben, dass hier nur Religion gelehrt wird“, erklärt Dießner. Das Fach Ethik gibt es nicht.
Der Glaube ist Schulleiterin Dießner wichtig. „Er gibt mir Halt“, sagt sie. Mit Stolz und Freude zeigt die Lehrerin auf den Altar im Schulfoyer. „Den hat eine unserer Klassen gebaut. Zu Festen und Gottesdiensten stellen wir ihn draußen auf dem Schulhof auf“, erzählt sie.
Man merkt der Schulleiterin bei ihrer Erzählung an, wie sehr sie sich für die Gemeinschaft an ihrer Schule einsetzt und um jeden Einzelnen kämpft: „Es geht nur zusammen. Die Schüler dürfen nicht alleingelassen werden, sagt Dießner.
Unterricht in Unternehmen
Der praktische Unterricht ist an der Werkschule in Milkau vom ersten Tag an mit dabei. „Ein Oberschüler wird fast immer ins Handwerk gehen“, sagt Dießner. Darauf will sie die Kinder möglichst optimal vorbereiten, das wird auch aus dem Werkprofil der Schule deutlich.
So lernen in Milkau schon die 5. Klassen im Handwerkunterricht. Das geht bis zur 7. Die 8. bis 10. Klassen gehen direkt in Unternehmen. „Wir kooperieren mit vielen Betrieben aus der Region und darüber hinaus. Bevor die Schüler in ein Unternehmen gehen, machen wir eine Kompetenzanalyse. Damit sichern wir, dass jeder in den Beruf kommt, der ihn am meisten interessiert“, verrät Dießner.

Auch Johanna Lange und Leonie Grafe unterstützen den Weg der Schulleiterin. Die 14- und die 16-Jährige sind zusammen die Schülersprecherinnen. Die Frage, wer von beiden der Chef ist und wer vertritt, ist für sie unbedeutend: „Wir sind ein Team“, sagen sie.
Johanna und Leonie sind beide in der 9. Klasse. Gegenüber den Lehrern und der Schulleitung stehen sie für die Interessen ihrer Mitschüler ein. „Es ist schön, selbst etwas an der Schule zu bewegen und die Probleme der Schüler offen ansprechen zu können“, sind sich die Mädchen einig. Außerdem macht ihn das Organisieren von Festen viel Spaß, sagen sie.
Wenig Digitales, viel Praktisches
Digitale Geräte werden in Milkau konsequent vor dem Unterricht eingesammelt, erzählt Schulleiterin Dießner. Die Schutzhüllen dafür kommen von den 5. Klassen. „Jede neue Klasse strickt damit für ihre Nachfolger“, erzählt Dießner. Das Sinnliche beim Lernen ist ihr wichtig. Die Schüler sollen Dinge anfassen und fühlen können. „Wir haben daher auch keine digitalen Tafeln oder Tablets in den Klassen“, sagt sie.
Die Werkschule in Milkau ist eine Ganztagsschule. Die AGs am Nachmittag sind ein wesentlicher Bestandteil im Schullalltag. „Wir organisieren viele verschiedene Angebote“, ist Dießner stolz. „Manchmal wissen wir gar nicht, wie wir alles in einen Schultag unterbekommen“. Neben Reiten und Kochen wird zum Beispiel auch kreatives Gestalten oder ein 3D-Druckkurs angeboten.

Träger der Werkschule ist ein Verein. „Wir mussten uns den Platz gegenüber den staatlichen Einrichtungen erkämpfen“, sagt Schulleiterin Dießner. Das ist der Werkschule aber sehr gut gelungen: Heute arbeiten 38 Kolleginnen und Kollegen an der Schule. Derzeit sind 201 Schüler angemeldet. „Ursprünglich waren wir nur einzügig geplant. Die Nachfrage war aber so hoch, dass wir jedes Jahr zwei Klassen aufmachen“, ist Dießner zufrieden.
Sie ist überzeugt: Durch die freie Trägerschaft kann die Werkschule viel flexibler auf Veränderungen reagieren. „Wir leben ein anders System. Damit können wir sehr gut auf die Schüler eingehen“, sagt Dießner.
Inklusion ist dabei ebenfalls von Bedeutung. Manche Schüler werden in Milkau von Einzelfallhilfe begleitet. „Dabei müssen wir aber auch immer gucken, was geleistet werden kann. Die Schüler sollen im Schultag integriert werden können. Auch die Inklusionsschüler müssen Teil der Gemeinschaft werden“, sagt Dießner.
„Es geht nicht darum, immer mehr Stoff in die Lehrpläne zu stopfen oder zusätzliche Unterrichtsfächer einzuführen.“
Iris Firmenich
CDU-Bildungspolitikerin

„Wer Schule nur auf die Summe der unterrichteten Fächer reduziert, übersieht den wahren Kern des Bildungsauftrages – nämlich den Auftrag, eine ganzheitliche Bildung zu vermitteln“, sagt Iris Firmenich. Sie ist CDU-Abgeordnete und Bildungspolitikerin. „Es geht nicht darum, immer mehr Stoff in die Lehrpläne zu stopfen oder zusätzliche Unterrichtsfächer einzuführen, sondern junge Menschen bei ihrer Entwicklung zu allseitig gebildeten Persönlichkeiten zu begleiten, die Herzensbildung besitzen und über ein stabiles Wertefundament verfügen – sei es nun auf christlicher Basis oder nach einem humanistischen Verständnis“, so Firmenich weiter.
